Der unglückliche Diktator


Abseits aller Berichterstattung rund um Snowden und die Schnüffelstücke geht fast unter, dass wir einige schwere Brennpunkte auf der Welt haben.

In Syrien tobt nach wie vor der Bürgerkrieg, der Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben hat. In der Türkei schießt ein völlig aus dem Ruder gelaufener Premier Erdogan nach wie vor Tränengas auf die eigenen Leute und führt eine Säuberungswelle durch.

Und in Ägypten ist gerade das Militär auf der Straße und putscht.

Nach dem, was ich aus den verschiedenen Streams extrahieren konnte, ist Mursi in den Kasernen der Republikanischen Garden festgesetzt. Ausreiseverbote wurden für ihn selbst und die beiden Anführer der Muslimbrüder verhängt.

Und wie konnte es soweit überhaupt kommen?

Ich habe in letzter Zeit viel gelesen und meine eigenen Schlüsse gezogen. Inwieweit die korrekt sind, mag jeder selbst entscheiden, aber die Situation stellt sich zumindest für mich nicht so dar, wie sie allgemein dargestellt wird.

Der Militärrat unter Mohammed Tantawi hat im arabischen Frühling eine wichtige Rolle gespielt. Es war Tantawi, der den Diktator dazu brachte, aufzugeben. Der Weg zu demokratischen Wahlen war frei.

Bevor die jedoch durchgeführt wurden, hat der Militärrat das Militär der Kontrolle durch das Parlament entzogen. Auch die Budgetverwaltung oblag einzig und allein dem Militärrat, der keinerlei Rechenschaft schuldig war.

Der Rest ist Geschichte: Mohammed Mursi wurde gewählt, ein Vertreter der radikalislamischen Muslimbruderschaft. (Übrigens: Dem Wikipedia-Artikel an der Stelle keinen Glauben schenken. Wenn man DEN liest könnte man glauben, dass die Muslimbrüder eigentlich heilig gesprochen werden müssten, so mild sind die geworden. Das ist kein neutraler Artikel).

Doch von Anfang an hat Mursi ungeschickt taktiert. Ägypten hätte einen starken Führer bedurft, der die Wirtschaft wieder auf die Füße bringt und genügend Handlungsspielraum hat, um die Mubarak-Kader aus Justiz und Verwaltung zu entfernen.

Mursi hatte beides nicht. War beides nicht.

Die Freisprüche von Husni Mubarak haben das bewiesen. Und für das Volk war dass das Zeichen, dass die Regierung Mubarak bei weitem nicht so abgeschafft war, wie sie es gerne hätten. Statt dessen war es ein offenes Geheimnis, dass nicht Mohammed Mursi die Entscheidungen trifft, sondern dass er eine Marionette der Muslimbrüder ist.

Es hat nichts zu bedeuten, dass Mursi aus der Muslimbrüderschaft ausgetreten ist, weil er Präsident aller Ägypter sein wollte. Er hatte einen Berater an der Seite, der offenbar die Entscheidungen traf. Mursi führte nur aus. Dieser Berater war ein hochrangiger Muslimbruder.

Mursi musste taktieren: Den Militärrat konnte er nicht kontrollieren – demzufolge stellte der eine permanente Bedrohung dar. Die Muslimbrüder kontrollierten ihn. Und die Justiz hat mit dem Mubarak-Prozess offen gezeigt, was sie von der neuen Regierung hielt.

Nichts.

Den Leuten auf der Straße ging es immer schlechter. Die Arbeitslosigkeit stieg von 9% in 2010 auf 11% in 2011 und auf 12,5% in 2012. Aktuelle Zahlen sind nicht zu bekommen, aber sie dürften weiter gestiegen sein.

Ägypten ist ein Land, wo jeder fünfte unterhalb der Armutsgrenze lebt. Wo Frauen auf offener Straße belästigt und vergewaltigt werden, ohne dass jemand eingreift oder das bestraft wird. Ägypten ist ein Land mit vielen Problemen. Und diese Probleme hätte Mursi angehen müssen.

Stattdessen hat er versucht, mit Sonderdekreten und Verfassungszusätzen seine eigene Machtbasis und die der Muslimbrüder zu stärken. Das hat nicht funktioniert, die Menschen sind auf die Straße gegangen. In den letzten Monaten sind die Spannungen eskaliert. Mohammed Mursi hat den bisherigen Vorsitzenden des Militärrats, Mohammed Tantawi durch einen seiner eigenen Leute ersetzt, Abdel Fattah al-Sisi.

Obwohl keine Hausmacht, scheint es ihm gelungen zu sein, den Militärrat hinter sich zu vereinigen, doch der Preis dafür ist spätestens heute klar: Mursi war für die junge Demokratie nicht mehr tragbar.

Das Ultimatum von Sonntag, endlich einen Kompromiss mit den Demonstranten zu suchen, hat Mursi verstreichen lassen.

Heute ist die Armee auf die Straße gegangen, hat Straßensperren aufgestellt, Mursi und die beiden Anführer der Muslimbrüder haben Reiseverbote erhalten, das Militär hat die Kontrolle über die Medien übernommen.

Damit hat die Armee de facto die Macht übernommen.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Bilder des Reuters-Livestream vom Tahrir-Platz zeigen eine gigantische Menschenmenge, die offenbar abwartet, was nun geschieht.

Die Muslimbrüder, die noch heute nachmittag damit drohten, dass sie sich notfalls vor die Panzer der Armee werfen würden um sich selbst zugunsten von Mursi zu opfern, scheinen völlig von der Bildfläche verschwunden zu sein.

Zwei Möglichkeiten bleiben aus meiner Sicht nur noch:

Entweder die Muslimbrüder sammeln sich und kämpfen – dann droht Ägypten ein langjähriger Bürgerkrieg.

Oder die Muslimbrüder ziehen sich zurück, die Armee, die eigentlich gar nicht regieren will (die Lehren haben sie aus dem Versuch von vor einem Jahr gezogen), macht nach einer kurzen Zeit den Weg frei für erneute Wahlen.

In dem Szenario besteht die Chance für eine friedliche Lösung.

Alles hängt von den Muslimbrüdern ab, ob die zu den Waffen greifen oder nicht.

Wie auch immer das alles ausgeht:

NOCH einen Bürgerkrieg kann die völlig destabilisierte Region nicht wirklich brauchen.

/update die Muslimbrüder kündigen Widerstand an. Damit stehen die Zeichen auf Bürgerkrieg. 😦

/nochn update: Ich hab tatsächlich was witziges entdeckt: Die Muslimbrüder haben sich geäußert:

Die Muslimbrüder haben ihre Anhänger zum friedlichen Widerstand gegen ein Eingreifen der Armee aufgerufen. Präsident Mursi sei der legitime Staatschef Ägyptens und dürfe nicht von Rowdies und Spaltern gestürzt werden.

….judäische Volksfront….

Veröffentlicht am 3. Juli 2013, in Allgemein. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 11 Kommentare.

  1. Es ist schon schlimm mit ansehen zu müssen, wieviele „Brandherde“ momentan auf der ganzen Welt vorhanden sind. Ich hoffe, wir können den Zielen von Goldman Sachs usw noch etwas entgegen setzen und verhindern, das die irgendwann die Welt beherrschen.
    Viele Brandherde entstehen in unserer näheren Umgebung und auch hier in Deutschland sollte es anfangen. Doch wir sind zu faul und bleiben lieber im warmen Feuer sitzen, statt aufzustehen und es zu bekämpfen.

    …Volksfront von Judäa…

  2. Du weißt doch:
    „Immer nur ein Kreuz !“
    Das knallt ganz gewaltig und da die USA ja aktuell einen auf „Schitti“ pullen aka „Tausendfrontenkrieg für’s tausendjährige Reich“ veranstalten werden halt mehr Drohnen eingesetzt um „Terroristen“ per Funkfernsteuerung plattzumachen.
    Ich sag‘ nur „killt die Kilrathies“ oder um bei USA zu bleiben „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer !“ und genau zum Genozid führt das !1!!ELF11!!!
    Und das beschissenste an der gesamten „Weltlage“ ist einfach das man nur einigen hundert Arschgeigen (Hassknechts FDPlern z.B.) die Milliarden aus dem Arsch leiern müßte, sogar ganz legal wenn man denn WOLLTE *KOTZ*
    So und nu mal schaun wie unsere „Kanzlerette“ denn das so sieht …
    Wetten gar nicht und überhaupt was ist denn mit unserem „Osterlällchen“ ?
    Nö die Bratwürstchen sind gerade erst geschluckt, *KOTZEN* gehe ich dann inner Stunde …

    • Ähem, die USA sind in Ägypten aktuell überhaupt nicht engagiert – und haben offenbar auch nicht die geringste Absicht, da auch nur eine Handgranate rüberzuwerfen? O.o

      • Ja klar und die Waffen werden von uns geliefert weil, ja weil ?
        Offiziell hat ja auch ein in D nicht zu nennender Staat keine A-Bömbchen schon gar nicht vom „Hauptverbündeten“ in der „Region“ …
        Und was ist mit den anderen „Nachbarn“ dort ?
        Ein Schelm …

        • *kopfkratz* irgendwie komm ich grad nicht dahinter, was das mit den Vorgängen in Ägypten auf sich hat?

  3. kleiner_Geist

    Ich hatte Bekannte in Kairo, die sich aber verabschiedet haben. Die gehen davon aus, dass bald die Panzer rollen werden.

  4. Die Amis haben ja mal alle diplomatischen Einrichtungen geschlossen und die Leute aus Ägypten abgezogen und „überdenken“ ihr Wirtschafts- und Militärhilfen auch gleich einzustellen, da so mit einer Demokratie nicht umgesprungen werden darf???

    Die Berichterstattung war ja gestern abend auch nicht so doll, CNN und Phoenix haben die ganze Zeit berichtet und kommentiert und die andern Nachrichtennasen n-tv und N24 hatte wohl mal kurz ne Schalte und dann gabs Meldungen nur noch per Live-Ticker und das Programm lief weiter.

    Wie sich das noch in der Nacht geändert hat kann ich nicht sagen.

    Verschwunden waren die Mursi/Morsy-Anhänger ja nun nicht, es wurden immer die 2 Menschenmengen gezeigt und allzuwenige Anhänger gab es da nun nicht. Die Mursi-Gegner-Menge sah im TV eher ruhig und gelassen aus und eher Partystimmung und wenn man die anderen betrachtete wurde da nicht gefeiert sondern „reden gehalten“(Iman und co?) und Sprechchöre geübt, die nicht allzu fröhlich klangen.

    Dazu dann ab und zu ein Interview mit dem Mann auf der Strasse mit den Elementen die man bei der Muslim-Bruderschaft erwartet „Gottes-Land, gottgegebener Präsident, Der oben und sein Prophet,…, Wiederstand,…, blah blah blah“

    Und in der Türkei wird erstmal das Bauvorhaben abgeblasen, da will man wohl erstmal eine Runde abwarten und das Militär nicht auf Ideen bringen.

  5. @BlackHell | 3. Juli 2013 um 21:34

    „Es ist schon schlimm mit ansehen zu müssen, wieviele “Brandherde” momentan auf der ganzen Welt vorhanden sind.“

    Ja, bei so vielen Brandherden kann es passieren, daß es auf einen mehr auch nicht mehr so ankommt, selbst wenn dies dann ein recht ungeheuerlicher und unter anderen Umständen niemals versuchter sein sollte …
    Wieviel fehlt da noch?

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warf folgenden Kuchen auf den Teller