Meinung. Freiheit?


In Griechenland sind die staatlichen Rundfunkprogramme abgeschaltet worden.

Drei staatliche landesweit ausgestrahlte Fernsehprogramme, sieben landesweit ausgestrahlte Radioprogramme sowie 19 regionale Radiosender sind mit einem Schlag verschwunden. Private Alternativen gibt es rudimentär, in Griechenland ist das Privatfernsehen nur geduldet und hat keine offiziellen Lizenzen.

Der Handstreich der griechischen Regierung wurde mit der „unglaublichen Verschwendung“ in den Anstalten begründet und dem überzogenen Kostenapparat.

Gut, ich bin der erste, der zugibt, dass Staatsbetriebe einen Hang zum Wasserkopf haben. Aber Details, wie hoch die Verschwendung tatsächlich ist und wie überzogen der Kostenapparat ist, habe ich nicht gefunden. Zumindest nicht in deutsch- oder englischsprachigen Quellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Wasserkopf durch die allgegenwärtige Vetternwirtschaft dort sehr hoch ist, ist nicht klein, dennoch: Zahlen fehlen.

Die Ankündigung von vorgestern, Dienstag dem 11.06.2013, dass um Mitternacht der gesamte staatliche Rundfunk abgeschaltet würde, hatte sich durch nichts angekündigt. Jetzt, wo die Sender abgeschaltet sind, möchte die Regierung sich hinsetzen und den Rundfunk neu ordnen und in den kommenden Monaten ein Konzept erarbeiten.

Ich hätte ja gedacht, dass man erst das Konzept erstellt und dann umschaltet. Vor allem, wenn die privaten Sender auf so wackligen Füßen stehen, wie sie das in Griechenland tun.

Die Frage ist also legitim: Warum dieser Schnellschuß aus der Hüfte? Denn billiger als den Laden weiterlaufen zu lassen kann das unmöglich sein. Diese kurzfristige Ankündigung, die Sender zu schließen bedeutet auch, dass man die Leute vorher nicht gekündigt hat. Man hat also keinen Output mehr, keine Produktion, aber sehr wohl die knapp 3.000 Angestellten im öffentlichen Rundfunk, die weiterhin über gültige Arbeitsverträge verfügen.

Der griechische Staat wird hier also vertragsbrüchig, was zu Schadensersatzzahlungen führen muss, die die Einsparungen durch die Schließung bei weitem übertreffen dürften.

Es ist also Symbolpolitik.

Wir schreiben das Jahr 8 der Ära Merkel. Die Austerität der schwäbischen Hausfrau ist das Gebot der Stunde. Sparen ist angesagt, damit das Wachstum nicht beschädigt wird.

Die Auflagen, die man Griechenland also macht, sind unglaublich harte Sparauflagen. Es muss gespart werden, auf Teufel komm raus. Nach dem Sinn von Sparmaßnahmen wird nicht gefragt. Wenn unterm Strich eine Einsparung X rauskommt, bekommt man von der Troika ein Lob. Es ist eine Konsolidierung, die auf Kurzfristigkeit angelegt ist, nicht auf Langfristigkeit.

Und darum halte ich die Schließung der Rundfunksender für ein gefährliches Vabanque-Spiel der griechischen Regierung. Denen ist klar, dass die aus der Sparnummer nicht rauskommen – Merkel wird das nicht zulassen und sie hat nun mal den Rest der Versagerbrigade, die sich da Staatschefs nennen, im Sack. Die mucken höchstens noch pro Forma auf, aber wenn Merkel sagt „Spring“ ist die Antwort letztendlich nur noch: „*seufz* wie hoch? Wie weit?“

Und die griechische Regierung merkt gerade, wie eng das Korsett ist, dass diese Sparauflagen schnüren. Die griechische Wirtschaft ist tot. Sie wird auch nicht mehr „gesundgespart“ sondern braucht jetzt jede Menge staatlicher Investitionen, sonst funktioniert da demnächst überhaupt nichts mehr. Ich hab irgendwo gelesen, dass in Griechenland die Jugenarbeitslosenquote bei 75% liegt.

75% – das ist jenseits aller Vorstellungskraft. Drei Viertel aller Jugendlichen in Griechenland sind erwerbslos. Weil es keine Jobs gibt. Weil die Wirtschaft durch die Sparauflagen buchstäblich erdrosselt wurde. Wie hoch die Erwerbslosenquote bei den Erwachsenen ist, kann ich derzeit nur vermuten. Es dürfte dort nicht viel besser aussehen.

Die griechische Regierung steht mit dem Rücken an der Wand. Und zwar genau in der Ecke. Sie kann nicht vor, nicht zurück und nicht nach links oder rechts. Spart sie nicht, kriegt sie kein Geld aus dem Rettungsschirm. Zahlt sie die Kredite nicht zurück, bekommt sie kein Geld aus dem Rettungsschirm, um die Kredite zurückzuzahlen.

Vor diesem Hintergrund halte ich persönlich es durchaus für möglich, dass die griechische Regierung hier eine plakative Rettungsleine gerissen hat. Die Schließung der Rundfunkanstalten, eines der Dinge, die eine Demokratie am Laufen halten, weil so Informationen verbreitet werden: Das ist ein Knalleffekt. Er wurde fachgerecht mit den Sparmaßnahmen begründet.

Und es funktioniert – zumindest teilweise.

Die Menschen sind empört. Ein spanischer TV-Sender hat für die griechischen Kollegen die Infrastruktur bereitgestellt, damit die im Internet auf Sendung bleiben können. Die griechische Regierung hat wohl kurzfristig versucht, die Gebäude räumen zu lassen, aber die wollten wohl nicht wirklich einen zweiten Taksim-Platz riskieren.

Was will die griechische Regierung also erreichen?

Ein Schlaglicht setzen. Sie will zeigen, dass mit den Sparauflagen buchstäblich die Lichter in Griechenland ausgehen. Sie sagt das nicht offen, weil sie sonst die Troika am Hals hat, aber die Handlungen sprechen imho für sich.

Hoffen wir mal, dass es funktioniert – denn SO kann es da nicht weitergehen. Ein faschistoides Griechenland hat uns nämlich gerade noch gefehlt. Und das wird es geben, wenn das da so weitergeht.

/update:

Nein, ich glaube nicht, dass hier kurzfristig kritische Berichterstattung unmöglich gemacht werden sollte, denn die fand dort nicht statt. Der griechische Staatsrundfunk war auch genau das: Ein Staatsrundfunk.

Veröffentlicht am 13. Juni 2013, in Allgemein. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 6 Kommentare.

  1. Griechenland wird/wurde kaputtgespart. Es geht nicht darum, den Griechen zu helfen, darum ging es nie; es geht und ging nur darum, den Banken das Risiko einer Staatspleite abzunehmen und ihre Pfründe zu sichern und denen, die noch beteiligt sind, Gewinnanteile auszahlen zu können. Denn das diese Politik der strengen „Enthaltsamkeit“ und Sparsamkeit auf Dauer nicht hilft, konnte man, wenn ich mich nich irre, schon früher feststellen. Das ganze treibt dann manchmal recht ungewöhnliche Blüten, hier halt den Ausfall des öffentlich rechtlichen Rundfunks.
    Ich persönlich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diejenigen, die diese Politik umsetzen, von denen, die von dieser Politik profitieren, ein klein wenig, naja, sagen wir, zusätzliche Unterstützung erhalten; sozusagen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können…
    Das Problem, nicht nur mit Griechenland, ist, dass es derzeit niemanden gibt, der wirklich eine Lösung parat hat, die er auch umsetzen kann. Und da sind Faschisten nicht anders als Sozialisten…

  2. So wie ich das mitbekommen hatte bei uns im ÖR hat das griechische Fernsehen wohl einen Gewinn erwirtschaftet und Mama Merkel und die Troika hatten gar nix verlangt.

    Der Samaras wollte wohl kritische Journalisten bisschen mundtot machen.

    Das ist also alles auf dem Mist des Präsidenten gewachsen.

  3. Hmmm,
    ich denke mal das Tantchen mit der Interpretation falsch liegt, das ist kein Signal um was zu ändern, das wäre wenn die Regierung bestehende Gesetze auf die Multimilliardäre anwenden würde und wie z.B. Pispers so schön formuliert hat mal mit’m Bulldozer die Villen die keinem gehören „saniert“.
    Gleiches gilt für die „herrenlosen“ Superjachten usw. usf.
    Die Schließung hat wahrscheinlich zwei Gründe:
    1. Sie wird von den Regierenden als sinnvoll weil sicherer für sie erachtet
    2. Die Informationslage in Griechenland soll nicht mehr vorhanden sein (siehe 1.)
    Es ist im übrigen eine Schande das im Land der Demokratie keine mehr vorhanden ist *göbel*

  4. ein anderer Stefan

    Ich will die Notwehrtheorie nicht ganz von der Hand weisen. Die Staatsmedien sind wohl auch kein Ausbund an kritischer Berichterstattung, angeblich wurden die führenden Köpfe dort bei jedem Regierungswechsel auch ausgetauscht, so dass ein mundtot machen gar nicht erforderlich wäre.

    Was auch immer die Beweggründe sein mögen: Mittags entscheiden, abends abschalten ist auf jeden Fall eine totälitäre Handlungsweise, zumal die Entscheidung wohl am Parlament vorbei getroffen wurde. Das ist in der Tat zutiefst undemokratisch. Aber wenn man unter dem Diktat des Geldes, vermittelt durch die Troika, die hier die wahren Diktatoren sind, geknechtet wird, wird man halt zum Radfahrer: nach oben buckeln, nach unten treten.

  5. Buddy Fletcher

    Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sind die neuen Griechenland-Hilfen das Ergebnis einer falschen Politik der Bundesregierung. Diese habe zu lange auf reines Sparen und Kürzungen gesetzt: „Mit einer reinen Austeritätspolitik ist der Euro nicht zu retten“, sagte er. Diese Einsicht habe sich bei Schwarz-Gelb jedoch zu spät durchgesetzt. Die stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht kritisierte die Hilfen für das Land am Freitag im Bundestag als „verantwortungsloses Verbrennen von Steuergeldern“ zugunsten von Banken und Spekulanten. Der SPD hielt sie vor, auch dieses Mal die Hilfen für das Land abzunicken. Die Linken-Abgeordnete kritisierte zudem, dass auch die griechische Oberschicht nicht zur Rettung des Landes herangezogen werde, die ihren riesigen Reichtum ja gerade der bisherigen Korruption in dem Land verdanke.

  6. Tantchen, ich kann Deinen Aussagen nur zustimmen. Davon abgesehen hat Griechenland seit ein paar Jahren eh keine Demokratie mehr – die Entscheidungen werden inzwischen von Troika & Co. getroffen, die griechische Regierung und vor Allem das Parlament können nichts anderes mehr tun als alles was aus Brüssel kommt abzunicken. Gleichzeitig findet ein Ausbluten erster Güte statt. Aber in unserem Land ist es kaum anders – Merkel hat in meinen Augen noch nie auch nur annähernd gestaltet, die hat immer nur reagiert. Wie oft hat sie den schon ihre Meinung geändert, wie viele Minister, denen sid ihr „vollstes Vertrauen des Todes“ ausgesprochen hat sind denn inzwischen abgesägt? Der Seehofer hat bei „Pelzig hält sich“ mal einen interessanten Satz gesagt: Die, die die Entscheidungen treffen sind nicht gewählt, die, die gewählt werden haben nichts zu entscheiden. Wenn ein Spitzenpolitiker sowas schon sagt, muss man doch langsam die Systemfrage stellen…

warf folgenden Kuchen auf den Teller