Schavan – zum letzten


/edit Artikel komplett umgeschrieben. Da gabs ein paar Sachen, die ich noch nicht wusste und die ein völlig anderes Bild aufwerfen. Kein Gutes im übrigen.

Der Doktortitel ist schwebend entzogen. Das heißt, es ist bis zum Gerichtsurteil gesprochen aber wird nicht vollzogen. Sie ist *noch* Doktor Anette Schavan.

Für mich hat der Fall mehrere Aspekte.

Das erste, was mein Gerechtigkeitsempfinden getriggert hat: 30 Jahre.

Wir kennen in Deutschland so etwas wie Verjährungsfristen.

Hier stand mal ein Text, warum ich mich mit dem Entzug des Doktortitels für Frau Schavan nicht anfreunden konnte. Nicht, dass ich das müsste, aber… ne, fand ich ungerecht.

Aber mir fehlte ein Baustein.

Nämlich der, dass Frau Schavan bereits mit 20 Vorsitzende der Jungen Union war. Also schon die politische Karriere fest im Auge hatte. Für diese Karriere brauchte sie nicht zwingend einen Uniabschluß, sehr wohl aber einen Doktortitel.

Denn Doktortitel sind hierzulande hoch im Kurs. Wer ein Doktor ist, ist angesehen. Und nebenbei öffnet er gesellschaftliche Türen, die man sonst höchsten eintreten könnte, wenn man nicht aus der richtigen gesellschaftlichen Schicht kommt.

Und jetzt wird auch nachvollziehbar, warum Frau Schavan auf den regulären Abschluß des Studiums verzichtet und sofort die Doktorarbeit geschrieben. Eine Art Vabanque-Spiel, wenns klappt, hat sie den Doktor in der Tasche und kann Parteikarriere machen. Klappts nicht, steht sie ohne Abschluß da.

Das ganze war mit Sicherheit auch eine Zeitfrage. Sie hatte keine 8 Jahre Zeit, um eine Dissertation zu schreiben. Also hat sie abgeschrieben. Aber offenbar, wenn ich das richtig sehe, ziemlich geschickt. Und vorsätzlich getäuscht. Sie hat da eine Menge Energie reingesteckt, um die Täuschungen zu verschleiern.

Das ganze sieht von der Warte betrachtet völlig anders aus. Und so bekommt der ganze Schmonzes auch Sinn. Das war ein gigantisches, lebenslanges Pokerspiel und in der letzten Runde wollte jemand sehen und sie hatte nur zwei zweien auf der Hand. Letztlich doch zu hoch gepokert.

Vor diesem Hintergrund ist nicht nur der Entzug des Doktortitels auch nach 30 Jahren völlig gerechtfertigt, sondern auch der Verlust des Ministerpostens. Mitleid muss man mit ihr nicht haben.

Hat man mit Pokerspielern ja auch nicht.

Veröffentlicht am 7. Februar 2013, in Allgemein. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 14 Kommentare.

  1. Lochkartenstanzer

    Daß mit der Forschung und Lehre schon länger was nicht stimmt, is ja den meisten schon aufgefallen. Und der Schavan gönne ich es, denn die hat hier in BW auch die Schul- und Hochsculpolitik (mit-)versaut.

    Aber der Reihe nach:

    mag sein, daß die tat verjährt ist und sie daher für das täuschen nicht belangt wird/werden soltle. Das ist aber kein Hinderungsgrund Ihr zu verbieten, einen unrechtmäßig erworbenen Titel zu führen.

    Wenn jamand vor über 30 jahren eine Bank oder jemand anderen beraubt hat, mag das zwar auch verjährt sein, aber sofern er noch was von der Beute hat, gehe ich mal davon aus, daß die ihm wieder weggenommen wird, auch wenn er für die Tat selbst nicht mehr bestraft wird.

    Zum Thema harte Doktortitel: Auch in den Fächern gibt es viel Schmu und geschenkte Doktortitel. Alelrdings gibt es da gefühlt doch prozentual mehr „ehrliche“ Doktoranden. Was da alles so abgeht, kann man teilweise bei der Forschungsmafia (http:/www.forschungsmafia.de) und anderen Webseiten nachlesen.

    Insbesodnere nachdem was damals die Schavan beim Guttenberg abgelassen hat, habe ich keine Gnade mit Ihr.

    • und genau das letzte kapier ich nicht. Die Frau ist nicht doof. Ich halte die auch bis zu einem gewissen Grad für ehrlich. Wie weit Politiker das halt immer sind.

      Wenn ich doch selbst so ne Leiche im Keller hab, dann zeig ich doch nicht auf die anderen. Es gibt doch sowas wie Selbstschutz, hat der da völlig versagt?

      • Lochkartenstanzer

        Kognitive Dissonanz würde ich sagen.

        „Wenn ich das mach ist das etwas ganz anderes als wenn jemand anderer sowas macht.“

      • Und wenn sie nicht auf die anderen Schummler zeigt?
        Da wird doch gleich getuschelt.

        Und dann darf man ja nicht vergessen das sie Bildungsministerin ist, das gibt dem ja dann doch noch etwas mehr Brisanz.

        Bei den Naturwissenschaften ists ja meist so das man alles nachrechnen und prüfen kann. Bei den Geisteswissenschaften ist das schon schwieriger.

        In den NaWis ist da auch der Druck und die Konkurrenz viel stärker. Da müssen reihum Paper veröffentlicht werden und wenn da nur ein Fitzelchen Nutzen von anderen Akademikern oder der Wirtschaft rausgeschlagen werden könnte dann sind die Geier auch da scharf drauf.

        Wenn jetzt ein Geisteswissenschaftler über die ökologische Akzeptanz von Blumentopfmalerei in der Geschichte des Nordkaukasus unter besonderer Betrachtung südamerikanischer Kautschukbauern. Da ist erstens das mögliche Interesse recht gering, die Nachvolziehbarkeit erschwert und der Leistungsdruck auch gering.

        Die beste geisteswissenschaftliche -ologie ist ja die mit Astro, aber die lassen sich auch nicht so gerne in die Karten schauen.

  2. Vor 30 Jahren war es auf jeden Fall schwieriger, dezentral die nötige Manpower zu versammeln, um solche Arbeiten zu überprüfen. Mal ganz davon abgesehen, dass man wahrscheinlich etliche Archive hätte durchwühlen müssen, um an die Originalquellen zu kommen.

    In gewisser Weise belustigt es mich allerdings, wenn sich Leute, die auf andere mit dem Finger zeigen, dann selbst zum Horst machen. Wenn das die Politik um ein paar Heissluftgebläse und Vollpfosten bereinigt, warum nicht? 😉

  3. „dann studier irgendwas mit -ologie, dann hast das Ding frei Haus“ OK, ganz ehrlich, der Spruch pisst mich an. Ich habe meinen Doktor in Psychologie (übrigens rer nat und nicht geisteswissenschaftlich) und dort muss geforscht werden. Meine Schwester macht grade ihren Doktor in Biologie und das ist definitiv einer der schwesten Doktortitel, an dem man gut und gerne auch mal mehr als 5 Jahre sitzt.
    Über Frau Schavan kann ich nichts sagen, ich stecke zu wenig drin, kann mir aber gut vorstellen, dass vor 30 Jahren ein langes Literaturverzeichnis nicht gern gesehen war (im Gegensatz zu heute, wo es fast eine Art auszeichnung ist wenn das Literaturverzeichnis länger ist als die anderen Teile) und man dann kürzt. Bei Guttenberg war der Fall definitiv klarer.

    • *g* ich hab das -ologie auf „Soziologie“, „Theologie“ und den Kram in der Richtung bezogen. Nicht auf Biologie und Psychologie. Darum ja auch der Zusatz „Geisteswissenschaft“ 😉
      Und es sieht tatsächlich so aus, als ob man sich in den Disziplinen tief ducken muss, um dem Doktortitel zu entgehen. Sonst hätten den nicht soviele in Teilzeit gemacht…

      Ich hab die Psychologie-Diplomarbeit von einem Freund aufgehübscht – ich weiß, was da für arbeit drin steckt 😉

      • Zumindest bei Psychologie ist es von Uni zu Uni verschieden in welchem Fachbereich sie eingeordnet wird, also Geistes- oder Naturwissenschaftlich. Grundsätzlich gibts aber wohl immer die, die möglichst wenig Arbeit reinstecken und die, die aus Leidenschaft fürs Thema promovieren.
        Das einzige Fach in dem einem der Doktortiten tatsächlih offenbar nachgeworfen wird ist -zumindest sagte mir das eine Ärztin- Medizin. Dort ist es wohl eher eine etwas erweiterte Diplomarbeit, die man auch in 3 Monaten runterreißen kann. In gewisser Weise wohl als „Ausgleich“ fürs extrem lange und anspruchsvolle Studium.

    • „.. und dort muss geforscht werden ..“
      meinst Du, Anettchen hat seinerzeit nicht geforscht …?
      Aber mal im Ernst: gegen Tantchens Verjährungsargument ist nichts zu sagen, ausser: Basta!
      Die Folgen in Hinblick auf ihre Reputation (bei den Wählern) jedoch sind nicht zu ändern – glit allerdings auch für die damaligen „Überwachungseinrichtungen“.

  4. Ich habe gestern mal über das Thema mit meinem Chef gesprochen. Er betreut im Moment aktiv nur eine Doktorandin O:) , maximal waren es bisher 4 gleichzeitig. Aber wir sind beide der Meinung, dass es schon einen Unterschied macht, ob der Doktorand direkt im Institut drei Türen weiter sitzt und dort arbeitet oder ob er nur alle halbe Jahre mal zu einem Gespräch auftaucht – Beim erstem Fall kriegt man ja auch mit, wie die Leute arbeiten und schreiben. Und da ist es auch kein Problem, mehrere Doktoranden gleichzeitig zu betreuen, wie es auch am Lehrstuhl, dem wir früher zugeordnet waren, war – der Prof hatte rund 20 Mitarbeiter, die entweder auf Landesstellen saßen und damit neben ihrer Forschung auch ganz gut Lehrdeputate hatten oder auf Drittmittelstellen, das heißt, da war meist eine Industriekooperation dahinter. Aber fast alles waren Doktoranden, kaum Post-Docs.
    Da man ja aber aufeinander sitzt, sich die Projekte verzahnen und auch die Lehre miteinander läuft, ist da auch eine gute Betreuung samt hochwertiger Arbeit möglich. Der Bereich gehört aber nicht in den Bereich einer Philosophischen Fakultät oder ähnlichem.

    Auf was ich aber ursprünglich hinaus wollte ist das Problem der Gutachter. Du kennst als Prüfer und Doktorvater natürlich die einschlägigen Quellen – sicher aber nicht wortwörtlich. Wenn sich der Doktorand einer Zweit- oder Drittquelle bedient hat, die er nicht angegeben hat, ist das heute mit viel Manpower herauszufiltern, vor 30 Jahren sicher noch nicht. Und selbst heute hat kein Prof dieser Welt die Zeit, den kompletten Text akribisch nach eventuell ungekennzeichneten Zitaten zu suchen. Überlegt mal, wieviel Stunden Arbeit verschiedener Leute Vroniplag und Co enthalten! Das kann ein Betreuer selbst dann nicht leisten, wenn er nur einen Doktoranden hätte! Der Zweitgutachter ist ja vom Fach, aber auch der kann das nur punktuell leisten – insbesondere kennt der den Doktoranden ja nicht so gut. Und der Drittgutachter ist in der Regel aus einem anderen Bereich – der kennt die Primärquellen in der Regel gar nicht, der kann da also gar nichts beitragen.

    Und ja, gerade in den Wissenschaftsbereichen, bei denen die Dissertation in weiten Teilen aus neu-Zusammenstellen verteilter Informationen (und daraus neues Wissen schaffen durch Schlüsse ziehen etc.) besteht, ist nunmal die Gefahr, dass irgendwer einen Gedanken zum gleichen Thema ähnlich formuliert hat, sehr groß. Und schon hat man die erste „Plagiatsstelle“. Oder man liest in einer wichtigen Literatur eine prägnante Formulierung. Diese wird zitiert, so dass man sie in der zitierten Stelle wieder liest. So brennt sie sich ein. Und eh man sich versieht, verwendet man sie, ohne sich bewusst zu sein, dass es nicht der eigene Gedanke, die eigene Formulierung ist. Nicht, dass es damit wissenschaftlich korrekt würde. Aber leider funktioniert so das Gehirn.

    Was aber auffällt ist, wenn sich der Schreibstil mitten im Text ändert (ich hatte da mal eine Studentin, da änderte sich der Stil mitten in der Hausarbeit drastisch. Vor allem waren in dem kopierten Absatz plötzlich keine Tippfehler mehr drin… Da war es leicht, die Sekundärquelle zu suchen, da man ja wusste, wonach man sucht), da guckt man dann schon mal nach.

    Vor Guttenberg habe ich oft beim Arbeiten von wichtigen Artikeln ein Excerpt geschrieben (mach ich nicht mehr). Und da rutschten dann schon Satzfragmente mit hinein – besonders prägnante Aussagen, wichtige Informationen etc.
    Wenn ich später (und später heißt Tage bis mehrere Monate später) das Excerpt nochmal zur Hand nehme und in einen eigenen Artikel Informationen aus der Quelle einbaue, kann es dann passieren, dass man der Meinung ist, die Quelle in eigenen Worten nochmal zusammenzufassen, tatsächlich aber ein Vollzitat übernimmt.
    Voila, willkommen im Haus Plagiarius!

    Btw. Frau Schavan hat ja jetzt keinen Studienabschluss mehr. Sie ist aber laut Wikipedia Honorarprofessorin. Es wäre jetzt mal interessant nachzulesen, welche Berufungsvoraussetzungen für Honorarprofessoren an der FU Berlin vorliegen. Und ob es da Konsequenzen geben könnte…

    • Konsequenzen? Bei Politikern? Neee…. neumodischer Schnickschnack. Genauso wie dieses Internetdingens. Wird sich nie durchsetzen!

warf folgenden Kuchen auf den Teller