Ich habe nichts zu verbergen


Es gibt ja bei allen Überwachungsszenarien immer irgendwo einen Clown, der fett grinsend auf dem Barhocker sitzt und meint: „Keine Ahnung, warum du dich so aufregst. Ich hab nix zu verbergen, von mir aus können „die“ alles wissen.“

Alternativ sitzt der dann da und erzählt dir was davon, dass das ja zu unser aller Sicherheit dient. Die Zeit zum Beispiel, die ist da gerade ganz groß.

Es ist in letzter Zeit wirklich selten geworden, dass ich jemandem die große Bratpfanne über den Schädel ziehen möchte, damit noch mal etwas Verstand einsickert. Denn Journalisten wie der Herr Ludwig Greven stellen nun mal die vierte Macht im Staate da. Sie sind das öffentliche Kontrollorgan von Regierung und Behörden.

Es sind die Journalisten, die diese Skandale aufzudecken haben, dafür sind die unter anderem da – und nicht für kuschlige Homestories von Politikern mundgerecht für den Wahlkampf.

Und ab hier wirds schlecht gelaunt.

Herr Greven hält also die Überwachungsintentionen von Behörden und Regierung für „legitim“ weil sie unser aller Sicherheit sicherstellen. Und er blendet dabei wirklich alles aus, was in irgendeiner Form nicht in sein kleines, heiles Weltbild passt.

Regierungen haben nun mal einen Hang dazu, irgendwann autokratisch zu werden. Das kann man auf Dauer nur verhindern, indem man Offenheit herstellt. Die Helden unserer Zeit heißen nun mal Julian Assange, Brandley Manning und Edward Snowden. Und sie alle bezahlen einen furchtbar hohen Preis. Edward Snowden, die Beispiele der ersten beiden kennend, hat ihn bewußt bezahlt.

Und daher wissen wir jetzt (es ist nicht mehr nur eine als Gewissheit getarnte Vermutung), dass wir alle überwacht werden. Dass jedes Gespräch abgehört werden kann.

Und was fällt der Zeit (übrigens einer der Medien, die das Leistungsschutzrecht befürwortet haben, weil sie Qualitätsjournalismus bieten) dazu ein?

„Wenn du nicht überwacht werden willst, solltest du nicht überall reden“

Äh, bitte was?

Das ist die Stasi-Bürgerhaltung. So konnte die Stasi viele Jahre unentdeckt Menschen überwachen. Mit dieser Haltung wird das Recht des Menschen auf freie Meinungsäußerung schlichtweg negiert.

Das ist das genauso, als würde man sagen: „Selbst schuld, dass Mollath in der Psychiatrie sitzt. Hätte er sich mal im Frieden von seiner Frau getrennt“ – das ist die traditionelle Täter-/Opfer-Umkehr und dieser Qualitätsjournalist sieht das noch nicht mal.

Nein, Herr Greven. „Sicherheit“ ist kein Grundrecht. Aber Meinungsfreiheit und das respektieren der Privatsphäre sind welche, sogar grundgesetzlich geschützt. Aber „Sicherheit“ vor einem wie auch immer gearteten Terroranschlag, das steht nicht als Grundrecht im Grundgesetz und ich will das da drin auch nicht sehen.

Natürlich haben die Sicherheitsbehörden ihr möglichstes zu tun, damit Terroranschläge nicht stattfinden. Aber man sieht an Boston, dass man verwirrte Einzeltäter auch mit noch so viel Überwachung nicht stoppen kann. Da hatten die Behörden doch sogar Hinweise auf die Brüder Zarnajew- passiert ist nichts.

Wenn einer eine Bombe wirft, dann wird er das tun. Wenn er Menschen töten oder verletzen wird, dann wird er das tun. Das Gefasel, dass x Anschläge verhindert worden sind, ist als Nebelkerze zu werten. Denn ein juristischer Grundsatz ist, dass zur Strafbarkeit die Tat gehört. Das ist im Bereich Terrorismus schon sehr gefährlich weit nach vorne gerückt. Es bedarf hier nicht mehr der Tat, um verurteilt zu werden.

Diese Überwachungsszenarien sind schlichtweg ein Alptraum. Und er wird nicht besser, indem sich jetzt diejenigen, die das eigentlich aufklären sollten, indem sie darüber Artikel schreiben, Risikoeinschätzungen vornehmen, oder auch Anleitungen zum Selbstschutz geben, sich auf den Barstuhl setzen, feist grinsend das Bier anstarren und sagen: „Wenn du nicht das Maul aufmachst, dann wirst du auch nicht abgehört“.

Angesichts der Tatsache, dass buchstäblich jede Kommunikationsform inzwischen abgefischt wird: Herr Greven, sollen wir wieder zurückgehen zur guten alten Schneckenpost und eines Tages dann die gesammelten Briefe wieder in Buchform veröffentlichen?

Zum Beispiel, wenn die Behörden, die sich über Recht und Gesetz so nonchalant hinwegsetzen, endgültig aus unserem Leben einen Orwellschen Überwachungsstaat geschaffen haben und Andersgesinnte halt mal dumme Unfälle haben oder mit „Kinderporno“ auf dem Rechner erwischt werden?

Wir leben in Zeiten eines Staatstrojaners, der aufgrund der Struktur des Internets nur zweigleisig funktionieren kann. Wer sagt denn, dass mir Beweise nicht untergeschoben werden?

Wer einmal im Visier der Sicherheitskräfte ist, kommt da auch so schnell nicht mehr raus – der Fall Andrej Holm, der wirklich einer der bizarrsten Kriminalfälle Deutschlands ist, hat das bewiesen.

Und anstatt, dass unsere Politiker jetzt mal gepflegt wieder ins Grundgesetz gucken, was denn da so alles Feines drinsteht (für nicht wenige dürfte das echt ganz neue Erkenntnissse bringen), stellt sich ein Innenminister hin und verteidigt das auch noch.

Und er ist auch noch im Amt. Nicht mit Forke und Fackel aus dem Ministerium gejagt.

Weil er sich des Wohlwollens sogenannter Qualitätsmedien sicher sein kann, die in bester Stasi-Manier fordern, dass man doch gefälligst in der Öffentlichkeit die Schnauze zu halten hat.

Herr Greven? Das nächste mal bitte die eigene Empfehlung besser beachten, ja? Danke.

Veröffentlicht am 24. Juni 2013, in Allgemein. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 28 Kommentare.

  1. Ich höre zwar auch immer wieder, dass dutzende von Anschlägen verhindert worden sind, gezeigt hat man meines Wissens nur ein Beispiel (Sauerlandgruppe oder so). Und es will mir auch nicht recht einleuchten, warum alles überwacht wird, aber dann sogar Leute, die im Visier der Behörden waren, Anschläge verüben können. Denn solcherlei ist für mich der Beweis, dass die Überwachung gar nichts bringt!
    Somit kann die Überwachung nur den Zweck haben, über kurz oder lang andersdenkende zu unterdrücken, bloßzustellen oder zu inhaftieren; es geht also nicht darum, irgendwelche Verbrechen zu verhindern, denn dann könnte man den ganzen Bankstern (und ähnlichen) nämlich ohne weiteres vor ihren Taten das Handwerk legen.
    Daher stellt diese Überwachung, überspitzt ausgedrückt, den Versuch dar, unsere demokratische, freiheitliche Grundordnung zu beseitigen, obwohl sie alle schwören, „… das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes [zu] wahren und [zu] verteidigen, …“

    😉

    • Oh – btw – ich habe auch nichts zu verbergen, möchte mich aber dennoch nicht ausspionieren lassen!

    • Google der Sauerland-Gruppe mal hinterher. Die sind imho zu Unrecht verurteilt worden. Das ist zwar ein großer Haufen Idioten – aber die sind mit einem Agent provocateur in die Falle gelockt worden.

      Das war ne ziemlich miese Kiste.

  2. Schön wär ’s, wenn Herr Greve das auch mal zur Kenntnis nehmen würde, besser noch, den Mut hätte, sich mit Ihnen in aller Öffentlichkeit darüber auseinanderzusetzen. Wird er aber nicht. Alldieweil Herr Greve so etwas nicht nötig hat und er nicht im Traum daran denken wird, damit sein journalistisches Netzwerk samt dazu gehörenden politischen Freundchen zu riskieren.
    Dennoch bin ich dankbar, dass es hier und da ein paar Leute gibt, die sich zur Sache öffentlich das Maul verbrennen. Auch wenn wir damit dann auch garantiert zu jenem Kreis gehören, den es seitens Prism, Tempora und Co. im Auge zu behalten lohnt.

  3. Zu „verbergen“ hat jeder was, ob das nun das Ausbleiben der Regel ist oder das man in der Wohnung am liebsten nackig rumrennt.
    Und was ist denn eigentlich mit den ganzen „Amigos“ die haben doch nix zu verbergen die sind ja die „Bilderberger“ VT los 😛
    Wer schonmal versucht hat einem „Topmanager“ die Ende-zu-Ende Verschlüsselung nahezulegen, respektive zu erklären weiß wie viele „Kopfnüsse“ notwendig wären denen die eigene „Sicherheit“ und die der Firma ins „Hirn“ zu kloppen 😦
    Und wer auf Bahnhöfen oder in Zügen „Bomben“ findet die „nicht sprengfähig“ sind weil die „Terroristen“ halt alle Vollpfosten sind die nicht mal eine der „pösen Bombenbauanleitungen aus dem #NEULAND“ richtig machen können …
    Man müßte denen allen mal so richtig vorführen welche persönlichen Daten sie ALLE jeden Tag hinterlassen und dann mal fragen welche Daten davon „sicherheitsrelevant“ sind und welche nur peinlich !!!11!!1ELF11!!!

  4. „Ich hab nichts zu verbergen“…Jaja….Wenn das Argument in einer Diskussion fällt, frage ich die entsprechende Person immer ganz direkt und detailliert nach ihren bevorzugten Sexualpraktiken oder wann sie das letzte mal wieviel Stuhlgang gehabt hat o.ä. Unangenehme oder auch nur intime Sachen halt.Wenn dann die irritiert-empörte Frage kommt, was mich das denn anginge, konfrontiere ich sie mit obiger Aussage.Merke: Jeder aht etwas zu verbergen, die Frage ist nur, vor WEM. Im Volksmund nennt man das auch PRIVATSPHÄRE. Und es brauch mir keiner mit dem Argument zu kommen, daß bei Ihm/ihr schon keiner nachschauen wird, was in dem Datenberg so zu finden ist.Jeder, der schon mal in einer TV- oder PC-Werkstatt gearbeitet hat, weiß: Wo Daten sind, wecken sie Begehrlichkeiten und wo Menschen sind, sind Menschen neugierig. Und ich möchte eigentlich nicht, daß irgendein gelangweilter „Staatsschützer“ z.B. die Nacktbilder meiner Frau im Kollegenkreis rumzeigt…

  5. ein anderer Stefan

    „Ob Google, Facebook oder russische Unternehmen: jede Firma, die in der EU Dienstleistungen im Web anbietet, muss künftig garantieren, dass sie beim Datenschutz die EU-Standards einhält“, sagte Manfred Weber (CSU), stellvertretender Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) gegenüber Spiegel Online.
    http://www.heise.de/newsticker/meldung/Prism-EU-Konservative-drohen-Google-Facebook-und-Co-mit-Betriebsverbot-1894944.html
    Muhahaha – als ob das unsere Freunde von der NSA interessieren würde, was das EU-Parlament sagt, vor allem, wenn wir alle eh nix zu verbergen haben…

    • Siehst du in der Aufzählung *irgendeine* staatliche Stelle? Nein?

      So ein Zufall aber auch 🙂

      • ein anderer Stefan

        Die staatlichen Stellen haben ja auch kein Interesse, sich in die Karten schauen zu lassen. Alle Nachfragen werden unter Hinweis auf die „Sicherheit“ abgebügelt. Da fragt man sich doch, um wessen Sicherheit es hier geht – wohl eher um die der Dienste, die offenbar so viel Dreck am Stecken haben, dass das schön flach gehalten werden muss. Und die Politik spielt mit, vermutlich haben die alle genug Leichen im Keller.
        Die Briten sind ja ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, auf Datenschutz zu schei… Und die sitzen auch im EU-Parlament, wenn ich mich nicht irre… Also: leeres Geschwätz.

        • Mal ganz abgesehen davon, dass die EU-Datenschutzrichtlinien inzwischen nicht mehr das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt werden.

  6. Wow. Was für ein Artikel (Ich habe nichts zu verbergen). Tantchen, du
    bist gerade zu meinem Lieblingsblog avanciert. Ich hoffe, dich mal im RL
    treffen zu können, bevor wir alle weggeknastet werden.

    Lieben Grüß vom Rhein.

  7. Tantchen, Du must schon wahrlich ein schlechtes „Gewissen“ haben, dass Du hier nur die negativen Seiten der Orwellschen Überwachung herausstellst
    .. ach, es gibt nur negative Seiten? Dann ist die Sache für mich erledigt. 😉
    Übrigens: Du schreibst: „.. es ist nicht mehr nur eine als Gewissheit getarnte Vermutung“, meintest Du nicht eher „.. es ist nicht mehr nur eine als Vermutung getarnte Gewissheit“ ?

    • Selbstverständlich hat diese Überwachungsgeschichte auch positive Seiten.

      Mir fallen zwar keine eine, die für den „normalen“ Bürger relevant wären, aber sie sind bestimmt da, denn unsere gewählten Volksvertreter oder unsere demokratisch gewählten Verbündeten in USA und GB würden doch niemals etwas tun, das nicht zu unserem Wohle ist.

      Ja! Ist ja gut! Ich glaub’s ja auch nich‘!

      😀

  8. is zwar krasser scheiß, den der werte herr da schreibt, aber das gute is ja, dass in medien wie der zeit solche stimmen zu wort kommen, damit man sie zerrupfen kann. wollen ja nicht nur das lesen, was wir eh schon denken, oder?!

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